München/Leipzig – Sir Henry weiß schon, was jetzt kommt. Widerstandslos wackelt er durch den Raum, mit seinem runden Leib und dem faltigen Gesicht. Er steigt auf die niedrige Waage und lässt sich dort plumpsen.
Auf der digitalen Anzeige erscheint eine Zahl: 9,3 Kilogramm, so viel wiegt der rund zwölf Jahre alte Mops. Zu viel für den kleinen Kerl. Sir Henry hat Übergewicht. Und das mag zwar drollig anzusehen sein, ist aber ein ernstes Problem.
Übergewicht schadet Haustieren, genauso wie Menschen. Und genau wie beim Menschen sind immer mehr Hunde, Katzen und Kaninchen zu dick. Fast die Hälfte von ihnen hat Übergewicht, schätzt der Bundesverband Praktizierender Tierärzte. Die Tendenz sei steigend.
Nach Angaben des Instituts für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik an der Universität Leipzig werden für die Industrieländer Mitteleuropas mittlerweile rund 40 Prozent der Hunde und Katzen als übergewichtig eingeschätzt. Diese Entwicklung ist gefährlich, denn Übergewicht erhöht das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf- und Gelenkerkrankungen. Katzen, die sich wegen ihres fülligen Körpers nicht mehr putzen können, bekommen häufig Blasenentzündungen. Bis zu zwei Jahre Lebenszeit kann Übergewicht ein Tier kosten.
Die Medizinische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat deshalb eine spezielle Sprechstunde für besorgte Tierbesitzer eingerichtet. Nach ihren Angaben handelt es sich um Deutschlands erste klinische Sprechstunde zu Fettleibigkeit (Adipositas) von Hunden und Katzen.
Ein Patient ist Sir Henry. Er hatte 2016 schon einmal abgespeckt. Doch dann entdeckte der Zahnarzt einen Tumor in seiner Mundhöhle. Eine langwierige Behandlung begann, und Mops-Mama Uschi Ackermann versuchte Sir Henry das Leben mit Leckerli so angenehm wie möglich zu machen. Viele Besitzer meinen es so gut mit ihren Vierbeinern – liebe geht eben durch den Magen. Andere versuchten, mit Leckerli ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil Hund oder Katze nicht genug Auslauf bekommen, erklärt Astrid Behr vom Tierärzteverband.
Auslauf bekommt die schwarz-weiße Katze Mausi schon – im Garten von Petra K., die ihren vollständigen Namen nicht veröffentlicht sehen will. Sie lässt sich in der Adipositas-Sprechstunde in München von Tiermedizinerin Petra Kölle Tipps geben, wie Mausi Gewicht verlieren kann. Aktuell bringt die Katze rund 6,7 Kilo auf die Waage. «Unser Ziel ist, dass sie unter fünf Kilo kommt», sagt Kölle. Sie berechnet mit Hilfe eines Computerprogramms, wie viele Nährstoffe ein Tier braucht. Dann legt sie mit den Haltern einen Abnehmplan fest.
Im Fall Mausi soll Diät-Futter helfen. Zudem zeigt Kölle der Katzenhalterin eine Reihe spezieller Näpfe. Denn das Tier neigt zum Schlingen – ungewöhnlich für eine Katze. Die Anti-Schling-Näpfe sind mit Hindernissen ausgestattet, so dass die Katze das Futter mühevoll herausschlecken muss. Sie frisst dann langsamer, und damit bekommen Hormone, die dem Gehirn Sättigung melden, mehr Zeit.
Fotocredits: Andreas Gebert
(dpa/tmn) (dpa)