Panketal (dpa/bb) – Claudia Schulze fischt vorsichtig eine handtellergroße Schildkröte aus einem Terrarium auf ihrer Terrasse in Panketal (Barnim). Das etwa acht Monate alte Reptil hat einen markant gemusterten Panzer und wirkt im Mini-Format einfach nur putzig.
«Das ist eine afrikanische Panzerschildkröte. Diese Tiere bekommen ausgewachsen einen Panzer von mehr als 50 Zentimetern Länge und werden mehr als 30 Kilo schwer», erklärt die 49-Jährige und zeigt auf drei erwachsene, aber noch halb so große Exemplare, die durch den Garten spazieren.
Dass sei eines der Probleme, warum Schildkröten ausgesetzt oder abgegeben werden, erklärt Schulze, die hauptberuflich in der Gastronomie arbeitet. «Die Leute informieren sich vorher nicht und können die Tiere dann nicht artgerecht halten», sagt die Panketalerin, die gemeinsam mit ihrem Partner Oliver Hoffmann auf dem heimischen Grundstück einen
«Schildipark» betreibt. 37 Schildkröten von elf verschiedenen Arten – unter anderem aus Indien oder Afrika – leben hier.
Unterstützt werden Schulze und Hoffmann von einem Förderverein, deren 14 Mitglieder weitere Exemplare aufgenommen haben, beispielsweise die Wasser bevorzugenden Rotwangen- oder Gelbwangenschildkröten. «Die stammen ursprünglich aus Amerika und gehören inzwischen zu den invasiven Arten, weil Besitzer sie einfach ausgesetzt haben und sie nun die einzige europäische Schildkrötenart, die europäische Sumpfschildkröte verdrängen», erzählt Hoffmann.
Aber nicht nur Schildkröten, die keiner mehr haben wollte, leben bei den Panketalern. Auch Tiere, deren Einfuhr aus Artenschutz-Gründen verboten ist und die daher vom Zoll beschlagnahmt wurden, wie die aus Madagaskar stammende und vom Aussterben bedrohte Strahlenschildkröte, fanden im «Schildipark» Zuflucht. Oder auch Exemplare, die wegen schlechter Haltung von Behörden in Obhut genommen worden waren. So gibt es bei den Panketalern auch Tiere, deren Panzer wegen falscher Ernährung deutlich deformiert sind.
«In solchen Fällen sind wir froh, solche Auffangstationen für Reptilien wie die in Panketal zu haben, wo die Tiere artgerecht und fachmännisch untergebracht werden», sagt Artenschützer Frank Plücken vom Brandenburger Landesumweltamt – und nennt als weiteres Beispiel einen Schlangenexperten in Brandenburg an der Havel. «Da gibt es schon genaue Anforderungen an Größe und Ausstattung der Gehege beispielsweise», ergänzt Norbert Schneeweiss, der das Schutzprojekt Europäische Sumpfschildkröte beim Landesumweltamt leitet. Insofern sei dieser gelebte Naturschutz wie der in Panketal auch Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung für Leute, die sich eine Schildkröte zulegen möchten.
Der «Schildipark» ist allerdings längst an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen. «Das ausbruchsichere Gelände, auf dem unsere Schützlinge auch außerhalb ihres Geheges herumlaufen können, ist 300 Quadratmeter groß. Bisher haben wir leider kein Land dazukaufen können», sagt Hoffmann, der eigentlich als Hausmeister arbeitet. Das gesamte Gelände ist Video-überwacht. Auch über das Internet kann er verfolgen, was seine Reptilien so treiben. Den bepflanzten Wintergarten hat der Hausherr gerade mit einer Heizung bestückt, damit die Tiere in der kalten Jahreszeit überleben können.
Gerade im Herbst, wenn Halter exotische Schildkröten eigentlich ins Warme holen müssten, gebe es die meisten Fundtiere. 30 bis 35 Anfragen und Bitten um Aufnahme von Tieren erhalten er und seine Partnerin durchschnittlich pro Monat.
Beide wissen, dass der Ansturm so schnell auch nicht nachlassen wird. «Für Schildkröten gibt es einen Riesenmarkt, richtige Reptilienbörsen. Viel läuft aber auch über das Internet», sagt Claudia Schulze. 100 bis 150 Euro in der Anschaffung würden erst einmal nicht viel klingen. «Welchen hohen Pflegeaufwand die Tiere allerdings haben und welche technischen Kosten noch hinzu kommen, überblickt erst einmal keiner», macht sie deutlich.
Die seltensten der weltweit etwa 350 Schildkrötenarten würden sogar für mehrere Zehntausend Euro gehandelt, sagt Schneeweiss. Andere seien wegen ihrer Schmuckpanzer begehrt. Und allein 30 Millionen Weichschildkröten jährlich endeten in Südostasien auf dem Teller.
Fotocredits: Patrick Pleul (dpa)