Frankfurt/Oder – Wer denkt, dass die nachtaktiven Fledermäuse tagsüber schlafen, wird auf dem ehemaligen Gutshof Julianenhof in Brandenburg eines Besseren belehrt.
Im Internationalen Fledermausmuseum, das der Naturschutzbund Deutschlands (NABU) in dem einstigen Stallgebäude des Guts in der Märkischen Schweiz ehrenamtlich betreibt, gibt es Kino der besonderen Art.
In der Wochenstube der Großen Bartfledermaus auf dem Dachboden wurden Infrarot-Kameras installiert. Sie übertragen digital auf den Monitor im Museum, was die nützlichen und streng geschützten Insektenfresser so treiben.
«Ungefähr 650 Tiere haben wir gezählt», sagt Museumsleiterin Ursula Grützmacher. Abgesehen von den Bat-Detektor-Nächten, bei denen die Ultraschallrufe, mit denen sich die Fledermäuse beim Fliegen orientieren, für das menschliche Ohr hörbar gemacht werden, hätten Besucher ansonsten keine Gelegenheit, Fledermäuse zu beobachten, sagt sie. «Die Wochenstube per Kamera ist schon unser Highlight.»
Rund 3000 Gäste zählt das einzige deutsche Museum dieser Art, in dessen Umfeld allein 12 der 25 in Deutschland vorkommenden Fledermausarten leben, jährlich zwischen Mai und Oktober. Im Vergleich zu anderen Einrichtungen sind die Besucherzahlen nicht hoch. Sie zeigen, dass die Akzeptanz von Fledermäusen noch ausbaufähig ist. «Wer zu uns kommt, tut das bewusst und gezielt. Wir liegen nicht einfach so am Wegesrand», macht Grützmacher deutlich.
Noch immer gebe es in Bezug auf Fledermäuse deutschlandweit viele Vorurteile und Ängste, schätzt Christiane Schröder, Geschäftsführerin des NABU Brandenburg, ein. «Sie werden von Menschen eher als Schädlinge bekämpft, anstatt sie als nützliche Insektenfresser in der Nachbarschaft zu dulden oder gar zu fördern», beschreibt die Biologin.
Die alljährlich am 25. August begangenen
Europäische Fledermausnacht sei daher eine Gelegenheit, Öffentlichkeitsarbeit für die Tiere zu machen, die in ihrem Bestand nach wie vor bedroht seien. Der Nahrungsmangel aufgrund des Insektensterbens und der Verlust von Lebensräumen beispielsweise auch in alten Bäumen mache sich bemerkbar, sagt Schröder, ohne konkrete Zahlen zu nennen.
Flatterhafte Fledermäuse flächendeckend zu erfassen, sei äußerst schwierig, sagt sie. Weil sie so klein seien, sei es schwierig, sie mit GPS-Sendern auszustatten. Zudem gebe es inzwischen zu wenige ehrenamtliche Artenschützer, die Tiere beobachten, bestimmen oder gar beringen. Schwierigkeiten bei der Bestandsaufnahme bestätigt auch Norbert Barthel, der seit Jahrzehnten eines der bedeutendsten Winterquartiere für die größte in Deutschland vorkommende Fledermausart, das große Mausohr, in Frankfurt (Oder) betreut.
Alljährlich Ende Januar macht er mit weiteren Naturschützern eine tierische Inventur in dem unterirdischen Labyrinth und zählt die dort kopfüber schlafenden Tiere. «Wir wissen zwar, wie viele hier überwintern. Doch die Tiere leben in der wärmeren Jahreszeit nicht unbedingt in der Gegend.»
Auch Barthel sieht keine allzu positive Entwicklung der Fledermaus-Populationen. «Die nach wie vor intensive Land- und Forstnutzung, der Einsatz von Chemie, die in Gewässer gelangt, der starke Verkehr – ob auf der Autobahn oder auch auf der Schiene – sind Gefahren, denen tausende Tiere zum Opfer fallen», sagt er.
Positive Schutzmaßnahmen wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die Renaturierung von einst trocken gelegten Gewässern, die Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete oder die Schaffung neuer Winterquartiere hätten lediglich dazu geführt, dass der Bestand sich etwas stabilisiert habe. «Deswegen müssen Fledermäuse weiter streng geschützt werden.» Das sieht auch Christian Voigt, Fledermaus-Experte des Leibniz-Institutes für Zoo- und Wildtierforschung Berlin, ähnlich: «Ein Bestandsmonitoring ist schwierig, Entwarnung kann aber längst nicht gegeben werden.»
Neben der intensiven Land- und Forstwirtschaft und dem Insektensterben, dass sich massiv auswirken werde, sieht er Windräder und die zunehmende Lichtverschmutzung als Hauptgefahren für Fledermäuse. «Deutschlandweit gibt es rund 30.000 Windkraftanlagen. Die Hälfte davon wurden vor 2008 errichtet und darf ohne Schutz-Auflagen betrieben werden», macht der Wissenschaftler deutlich. Zudem würden viele Fledermausarten durch die immer heller werden menschlichen Siedlungen sowie angestrahlte Gebäude vertrieben.
«Langfristig werden Arten wie das Graue oder das Braune Langohr, die beispielsweise auf Dachböden wohnen, ganz verschwinden», prognostiziert er. Das sei jedoch kein speziell deutsches, sondern ein europäisches Problem.
Fotocredits: Patrick Pleul
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