Berlin – Es gibt Dinge, an die gewöhnt man sich nie. Der Tod und das Einschläfern eines Tieres gehören dazu. Seit zehn Jahren ist Anne Gamalski Tierärztin in Berlin.
«Es ist immer furchtbar traurig», sagt Gamalski. «Und dennoch ein Geschenk. Weil man das Leiden eines Tieres nicht bis zum Ende mitansehen muss, sondern es erlösen kann.»
Tiere sind Familienmitglieder und sollen deshalb auch in Würde sterben dürfen. Manche von Gamalskis Patienten bringen Kerzen mit in die Praxis und spielen Musik ab, andere kommen mit der gesamten Familie und dem Freundeskreis. Wieder andere bitten sie, zu Hause vorbeizukommen. All das ist möglich.
Lebensfreude ist ein entscheidender Indikator
Die Entscheidung, wann der richtige Zeitpunkt ist, um das Tier gehen zu lassen, ist hart. Denn eine finale Diagnose allein ist noch kein Grund. «Lebensfreude ist der entscheidende Indikator», sagt Tierärztin Gamalski. Bei Hunden ist das zum Beispiel relativ leicht zu erkennen. Wenn sie nur noch apathisch herumliegen, dann ist das ein Hinweis. Katzen offenbaren ihr Innenleben nicht so offensichtlich. Hier ist gerade die Lust am Fressen ein gutes Indiz, ob noch Lebensgeister in ihnen stecken.
Prof. Andrea Beetz, Psychologin aus Erlangen, hat über Jahre die Mensch-Tier-Beziehung erforscht und rät, sich für den Ernstfall vorher schon mal Gedanken zu machen. «Stellen Sie sich die Frage: Wie wünschen Sie sich einen würdigen Abschied für ihr Tier? Und legen Sie Kriterien fest, die Lebensfreude bei Ihrem Tier anzeigen.» Dann könne man im Fall des Falles sagen: Wenn er für längere Zeit den Ball nicht mehr anguckt oder sich nicht mehr für den Garten oder das Spazierengehen interessiert und das Lieblingsleckerli verschmäht, dann möchte er nicht mehr.
Tierschutzgesetz verlangt «vernünftigen Grund»
Die Entscheidung muss allerdings nachvollziehbar sein. Das Tierschutzgesetz erlaubt das Töten von Tieren lediglich bei einem «vernünftigen Grund». «Das ist im Ethik-Kodex für Tierärzte festgelegt», erklärt Sonja Krämer von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT).
Das bedeutet auch, dass es dabei nicht alleinig um den Wunsch des Besitzers geht: «Eine Leidensverlängerung oder eine Lebensverkürzung allein auf Wunsch des Besitzers lehnen sie ab», heißt es in den Empfehlungen zum Ethik-Kodex.
Gerade in Krisensituationen kann der Blick auf das eigene Tier verklärt sein. Deshalb ist es auch eine gute Möglichkeit, den Tierarzt entscheiden zu lassen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Deshalb sollten sich Besitzer nicht schlecht fühlen.
Vor Abschied noch mal ein paar schöne Tage machen
Ist die Entscheidung für das Einschläfern gefallen und der Zustand des Tieres erlaubt es, ist es durchaus denkbar, noch einmal ein paar schöne Tage gemeinsam zu verbringen. «Ich kenne eine Familie, die mit ihrem Hund im Fahrradanhänger die letzten Tage täglich zur Lieblingswiese gefahren ist und sich so von ihm verabschieden konnte», so Gamalski.
Auf eines müssen Tierbesitzer sich aber dennoch einstellen: Natürlich wird es trotzdem schwer werden. Ist der Termin schließlich gekommen, sollten Besitzer auf Ruhe achten – und auf ihre Bedürfnisse, aber auch auf die ihres Tieres. Und das sei Nähe. «Bis zu einem gewissen Punkt nehmen die Tiere noch ihre Umwelt wahr und dann sollten sie merken, dass ihre Vertrauenspersonen dabei sind», rät Krämer. «Das können auch Kinder sein», sagt Gamalski.
Entscheiden, wohin mit dem Tierkörper
Dann muss noch eine letzte Entscheidung getroffen werden: Wohin mit dem geliebten Tier? «Bei Katzen rate ich dazu, den Körper noch einmal mit nach Hause zu nehmen, falls dort noch weitere Katzen leben. Denn die anderen Tiere nehmen bis zu vier Stunden lang Abschied – ein wichtiger Prozess für ihre Psyche», sagt Gamalski.
Hunde dagegen würden das nicht machen. Wer sie oder alle anderen Haustiere nach dem Einschläfern beim Tierarzt lässt, der muss damit leben, dass sie unpersönlich in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt entsorgt werden.
Natürlich können die Besitzer ihre Tiere auch in ihrem Garten begraben, sofern sie nicht zu groß sind. Die jeweiligen Regelungen sollten Besitzer allerdings zuvor in ihrer Kommune erfragen.
Fotocredits: Zacharie Scheurer
(dpa/tmn) (dpa)