Hannover – Tierfilme sind für viele Menschen was fürs Herz. Vor allem Hunde verstehen zu rühren – mit treuem Blick aus großen Augen. Sie sind süß, und sie können einfach alles. Jedenfalls im Film.
Dann ist schnell der Gedanke nicht mehr fern: Einen solchen Hund will ich auch haben. Einen Hund wie Lassie, seit Jahrzehnten der Star von Kinder- und Familienfilmen – und jetzt in der deutschen Neuverfilmung «Lassie – Eine abenteuerliche Reise», die seit einigen Tagen im Kino läuft. Doch nach Filmen mit tierischen Hauptdarstellern, seien es Dalmatiner, Clownfische oder bald vielleicht auch Collies, haben die Tiere oft das Nachsehen.
Unerfahrene Hundehalter sind ein Problem
Hat der Kaufrausch die Hundefreunde schon gepackt? «Das wird schlimmstenfalls kommen», sagt Marlies Fabisch vom Tierheim Hannover. «Die Erfahrung zeigt, dass es so ist.» Denn schon ein Jahr nach der Premiere des Hollywoodfilms «101 Dalmatiner» von 1996 wurden in den USA Zehntausende verlassene Hunde in Tierheime eingeliefert. Viele Tiere mussten eingeschläfert werden, weil Platz fehlte. Das Problem unerfahrener Hundehalter: Nach einigen Monaten würden aus süßen Welpen durchaus schwierige Hunde, die Arbeit machen, sagt Fabisch.
«Zum Boom kommt es meistens dann, wenn der Film läuft und die Zuschauer sich spontan verlieben», erklärt Katrin Umlauf, Referentin für Hunde beim Deutschen Tierschutzbund. Forscher der Universität New York stellen fest, dass Filme wie «Lassie» die Hunderassen für Jahre populär machen können. Heute sind Langhaar-Collies selten, aber das kann sich ändern: «Die Befürchtung ist, dass die Leute jetzt wieder darauf stoßen», meint Umlauf. «Für Tierheime ist das oft ein Desaster.» Die Tiere würden meist überstürzt und ohne großes Nachdenken angeschafft.
Anspruchsvolle Hütehunde
Das wird dann schnell zum Problem: Collies sind Hütehunde, die viel Beschäftigung brauchen, empfindsam und pflegeaufwendig sind und nicht für einen halben Tag in die Wohnung gesperrt werden können, wie die Tierschutzexpertin erklärt: «Irgendwann suchen sie sich selber «Jobs», das kann sehr unangenehm sein.» Denn dann fingen die Tiere an, Radfahrer zu jagen oder sogar Familienmitglieder zu beißen. Oft endet das für den Hund im Tierheim.
Und es trifft nicht nur Hunde: Sogar die Nachfrage nach Ratten schnellte nach dem französischen Animationsfilm «Ratatouille» (2007) hoch, wie Umlauf erzählt. Nach dem US-Animationsfilm «Findet Nemo» von 2003 wiederum waren Clownfische angesagt, anspruchsvolle, exotische Tiere, die nur im Meerwasseraquarium gehalten werden können – und das auch nur von Experten, wie Umlauf sagt. «Man kann davon ausgehen, dass die reihenweise gestorben sind.»
Rationales Denken setzt aus
Wie kann es so weit kommen? Filme können durchaus Trends auslösen – doch «spätestens beim Kontakt mit einem Welpen setzt das rationale Denken aus und es wird emotional», erklärt Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen. «Alle Vernunft wird vergessen.» Wer dem Tier dann nicht gewachsen sei und unter enormen Tierarztkosten ächze, wolle es am liebsten anonym im Tierheim loswerden. Von «kleinen Tragödien» spricht Kopernik.
Seriöse Züchter sehen sich Kunden zwar genau an. Aber wenn sie die Kundenwünsche bei gerade einmal zwei Würfen im Jahr nicht erfüllen könnten, öffne das Tür und Tor für unseriöse Züchter, sagt Kopernik. Die züchteten in Osteuropa, vor allem in Rumänien und Bulgarien – und der Markt sei «äußerst lukrativ». Welpen würden teils zu Spottpreisen im Internet angeboten. Der illegale Tier- und Welpenhandel blüht denn auch laut Tierschutzbund in Deutschland. 2017 seien den Tierschützern 92 Fälle illegaler Transporte mit Hunden bekanntgeworden – nach 53 ein Jahr zuvor. Betroffen waren 641 Hunde. Nach einer Studie der EU-Kommission von 2015 allerdings wurden in der Europäischen Union jährlich allein 500 000 Hunde illegal gehandelt.
Hündinnen als Gebärmaschinen missbraucht
Umlauf beklagt, Hündinnen in Osteuropa würden in vielen Fällen als Gebärmaschinen missbraucht, die Welpen wiederum hätten meist keine Sozialisierung erfahren, weil sie viel zu früh abgegeben und von der Mutter getrennt würden. Auch seien sie oft nicht geimpft, geschwächt vom Transport und würden schnell krank. Und: Schlechte Erfahrungen setzen sich im Hundehirn fest.
Seriöse Züchter dagegen dürfen die kleinen Hunde erst ab Ende der 8. Woche abgeben, sagt Collie-Züchterin Elisabeth Wunck aus Zetel im Landkreis Friesland. Gut sei es für die Welpen, wenn sie auch die 9. Woche bei der Mutter verbringen, die ganze Hundefamilie erziehe die Kleinen mit. Werden die Welpen zu früh abgegeben, hätten sie keine Chance, das alles zu lernen. Derzeit habe sie fünf bis sechs Anfragen nach Hunden – mehr als sonst. Interessenten versuche sie zu erklären, dass sie ein Baby bekommen – man erwarte auch von Säuglingen nicht, Rad zu fahren. Und: Mit sechs Wochen seien die Welpen auch nicht stubenrein: «Was in der Fantasie der Leute abgeht, hat mit der Realität nicht viel zu tun.»
Fotocredits: Martin Remmers
(dpa) (dpa)