Erfurt – Er ist ein Schönheitskönig. Mit strammen Beinen, kräftigem Haarwuchs und funkelnden Augen. Vor Richtern hat er seine perfekte Figur präsentiert – und wurde dafür mit dem Titel «Super Best in Show» prämiert.
Eine Belohnung gab es danach von seinem Halter bestimmt. Schließlich gewinnt man nicht alle Tage auf einer Rassehunde-Ausstellung. Es ist jetzt ein Jahr her, dass «Reserva do Rei Lenny Lauras» – ein kräftiger Englische Bulldogge-Rüde – einen der Siegertitel auf der Rassehunde-Ausstellung in Erfurt holte.
Rassehunde- und Rassekatzen-Ausstellung
Am Wochenende haben neue Vierbeiner die Chance, denn dann findet in der Thüringer Landeshauptstadt wieder eine Internationale und Nationale
Rassehunde- und Rassekatzen-Ausstellung statt. Über 3600 Rassehunde und 120 Rassekatzen werden erwartet – und Tausende Besucher.
Pudel mit fluffigem Haar oder Dackel mit schwungvollen Schlappohren werden durch die Messehallen stolzieren. Sie sind die zwei häufigsten Rassehunde auf der Ausstellung, wie Rainer Jacobs, Thüringer Landeschef des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VdH), informiert.
Viele der Tiere werden sich über das Wochenende den prüfenden Blicken von 49 Zuchtrichtern aus 15 Ländern stellen. Außerdem gibt es Events wie eine «Dog Frisbee Show» und einen Hundetanz.
Rassehunde immer beliebter
Während der Handel mit Rassekatzen eher ein Nischenmarkt ist, werden Rassehunde immer beliebter. «Die kontrollierte Rassehundezucht hat zwar weniger zugenommen, aber die Rassehundehaltung und der unseriöse Rassehundehandel – das sind Wachstumsmärkte», sagt der Pressesprecher des VdH, Udo Kopernik.
Nicht alle sind von dem anhaltenden Trend begeistert. Kritik an den Entwicklungen kommt von Tierschützern, aber auch den seriösen Züchtern. «Heimtiere werden immer häufiger Modetrends unterworfen und ihr Aussehen den Wünschen der Menschen entsprechend gezüchtet. Zum Extrem getrieben kann das zu einer Tierquälerei führen», heißt es etwa vom Deutschen Tierschutzbund.
Tiere mit Defekten
Möpse mit Atemnot und Augenkrankheiten, Dackel mit Herzklappenverkrüppelung, haarlose Sphynx-Katzen, denen die Tasthaare und damit ein wichtiges Sinnesorgan fehlen: Fälle wie diese beschreibt der Tierpathologe Achim Gruber in seinem Buch «Das Kuscheltierdrama», das im März erschienen ist.Bestimmte Defekte seien angezüchtet und führten zu Leiden bei manchen Tieren, führt er aus. «Die Schönheit im Auge des Betrachters ist manchmal leider die Krankheit im Körper des Tieres.»
«Alle Richter sind bei den Schauen verpflichtet, ein besonderes Augenmerk auf die Funktionalität und Gesundheit der Tiere zu richten», erklärt Jacobs, der selbst als Richter auf Rassehunden-Ausstellungen aktiv ist. «Die Gesundheit der Tiere hat Vorrang. Aber es gibt auch unseriöse Verkäufer im Internet, die zum Beispiel viel zu kleine oder kranke Tiere aus dem Kofferraum verkaufen. Das ist das, was eigentlich die ganze Sache kaputtmacht.»
Auch Thomas Hamann ist am Wochenende in Erfurt vor Ort. Er wird sein Zuchttier, einen Britisch Kurzhaar-Kater namens «Rudolf von Schustersmühle», präsentieren. «Es gibt Rassekatzen, die braucht die Welt nicht», sagt er. «Um es vorsichtig auszudrücken: Ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass alle diese Züchtungen gesund sind.»
Blick in die Geschichte
Kritik kommt auch von anderer Seite. Für die Historikerin Mieke Roscher, die an der Universität Kassel über Mensch-Tier-Beziehungen forscht, ist vor allem die Geschichte der Rassezucht problematisch.
«Die tierische Rassenzucht ging mit den anthropologischen Rassendiskussionen im 19. Jahrhundert Hand in Hand», erklärt die Professorin. Im Nationalsozialismus seien Rassetiere besonders wichtig gewesen – so ging etwa die «Blut-und-Boden-Ideologie» im Nationalsozialismus auf den Tierzüchter Richard Walther Darré zurück.
«Biologisch gesehen ist der Begriff Schwachsinn», sagt Roscher. «Es gibt Arten, aber keine Rassen. Dass der Begriff für Tiere immer noch verwendet wird, ist beängstigend unreflektiert. Da läuft es mir echt kalt den Rücken herunter bei dem Vokabular.»
Wettbewerb, Geld und Status
Doch trotz aller Kritik: Die Menschen sind fasziniert von den Zuchttieren. Immer wieder gibt es neue Trendarten. Gerade ist etwa der Rhodesian Ridgeback populär, wie Roscher erzählt: ein kräftiger, weizenfarbener Jagdhund.
Doch woher kommt die Faszination des Menschen für die gezüchteten Haustiere? «Das hat etwas Kompetitives an sich», sagt Roscher. «Es ist ein Wettbewerb, außerdem kann man sich dadurch sozial abheben.»
Für die Züchter mag auch das Geld eine Rolle spielen. «Die Gewinnerchampions steigen sogleich im Wert und werden mit Siegern des anderen Geschlechts verkuppelt, um noch mehr und noch schönere und teurere Sieger hervorzubringen», schreibt Gruber.
Und die Halter? «Manche versuchen, über ein edles Tier einen bestimmten Status nachzuahmen oder eine Idee davon», überlegt Roscher. Manchmal stecke auch der Wunsch, einem ästhetischen Trend zu entsprechen, dahinter.
Oder die Suche nach Bindung: «Ihr hübsches, süßes, drolliges, niedliches und natürlich extravagantes Aussehen steht im Vordergrund und prädestiniert sie gelegentlich zum bequemen Ersatz eines Kindes oder eines Sozialpartners», beschreibt es Gruber. «Früher waren Hunde ein Mittel, um einen praktischen Zweck zu erreichen, heute sind sie meistens selbst der Zweck, oder sie sollen einfach nur ihren Halter glücklich machen.»
Literatur:
Achim Gruber, Das Kuscheltierdrama, Droemer Knaur Verlag, ISBN: 978-3-426-45489-3.
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