Frankfurt – Schlangen bleiben meist im Verborgenen und haben anders als Vögel, Hunde oder Katzen ein echtes Imageproblem. Nach biblischer Erzählung war es eine Schlange, die Eva im Paradies verführte, von der verbotenen Frucht zu essen. Und wer mit gespaltener Zunge spricht, betrügt.
Zuletzt kamen die Schlangen in Deutschland aber aus ihren Verstecken: An einem See in Meerbusch bei Düsseldorf wurde eine Gelbe Anakonda gefangen, auf einer Straße in Hennweiler (Rheinland-Pfalz) eine Würgeschlange gesichtet. Am Donnerstag wurde sogar eine zwei Meter lange und neun Kilogramm schwere Boa constrictor auf einem Spielplatz in Berlin gefangen.
Solch exotische Exemplare sind zumeist ausgebüxt oder wurden ausgesetzt – die Zahl dieser Fälle häuft sich. Einheimische Arten sorgen dagegen nur äußerst selten für Wirbel, und ihr Bestand ist Experten zufolge rückläufig.
Polizeimeldungen zu Schlangen beträfen in der Regel exotische Arten aus der Terrarienhaltung, sagt Tom Kirschey vom Naturschutzbund (Nabu) Deutschland in Berlin. «Dass diese Meldungen stark zunehmen, kann ich bestätigen.» Eingefangene Exemplare landen häufig in Tierheimen. Und das sind nicht wenige, wie das nach eigenen Angaben größte europäische Tierheim in Berlin mit eigener Exotenstation mitteilt. «Die ist bis zum Rand gefüllt», sagt Sprecherin Annette Rost.
Darunter sei eine ganze Reihe an Würgeschlangen, die nur schwer an neue Halter zu vermitteln seien. «Die Kapazitätsgrenze ist erreicht.» Im Heim seien etwa eine 2,20 Meter lange Boa constrictor und eine andere Boa-Art. Eine der Schlangen sei direkt auf dem Parkplatz des Tierheims ausgesetzt worden. «Wir baden hier die ganzen Trends aus.»
Sowohl die Boa constrictor als auch der Königspython seien typische Terrarienschlangen, erklärt Sebastian Lotzkat vom Frankfurter Senckenberg-Forschungsinstitut. Im Sommer hätten sie hierzulande zwar eine Überlebenschance in freier Natur, darüber hinaus aber nicht. «Wenn der Winter kommt, gehen sie ein», sagt der Biologe. Sie seien schlicht nicht frosttolerant.
Einheimische Arten sind das sehr wohl, doch sie haben mit dem Schwund an Lebensraum zu kämpfen. «Leider nimmt ihr Bestand durch die Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes immer mehr ab», befindet die Deutsche Wildtierstiftung. Nabu-Fachmann Kirschey sagt: «Alle Schlangenarten Deutschlands verzeichnen rückläufige Bestandstrends.» Sie würden teilweise dramatisch seltener, wie bei der Kreuzotter.
Dass sich Schlangen bei der jüngsten Hitze häufiger blicken lassen, kann man Kirschey zufolge nicht sagen – im Gegenteil. Die meisten Schlangen bräuchten nur sehr wenig Sonneneinstrahlung zur Regulierung der Körpertemperatur. «In der prallen Mittagshitze eines überdurchschnittlichen deutschen Sommers sind weder die heimischen noch die tropischen Arten aktiv», sagt er. «Dann ist es ihnen auch zu heiß und sie meiden die Sonne.»
Lotzkat vom Senckenberg-Institut zufolge gibt es seit kurzem sieben einheimische Schlangenarten in Deutschland. Da sind zunächst die Äskulapnatter, die Ringelnatter, die Schlingnatter, die Würfelnatter, die Kreuzotter und die Aspisnatter – giftig sind nur die letzten beiden, gefährlich ist für Menschen in der Regel gar keine. Als siebte Art kam Lotzkat zufolge 2017 die Barren-Ringelnatter hinzu, die vorher als Unterart der Ringelnatter galt.
Genaue Zahlen zu Schlangen hierzulande gebe es nicht, sagt Lotzkat. Anders als bei Vögeln existierten viel weniger Erhebungen, Schlangen seien auch schwerer zu beobachten. «Es sind heimliche Tiere», sagt er. Grundsätzlich bevorzugten sie «strukturreiche» Gegenden, die Nahrung, Sonne, aber auch Rückzugsgebiete böten. In «Agrarwüsten» wie etwa in weiten Teilen der Uckermark in Brandenburg oder der Magdeburger Börde in Sachsen-Anhalt fänden sie das nicht mehr. «Da hält es selbst unserer häufigste Schlange, die Ringelnatter, nicht.»
Das zunehmend wärmere Klima in Deutschland setze zum Beispiel der Kreuzotter zu, die es eher feucht und kühl möge. Anders bei der Äskulapnatter, die es eher mediterran brauche: Sie kommt unter anderem im hessischen Taunus rund um die nicht von ungefähr so benannte Stadt Schlangenbad vor.
Ob der Klimawandel neue Arten bringe, sei schwer zu sagen, sagt Lotzkat. Da andere wärmeliebende Lebewesen wie das Taubenschwänzchen – eine Schmetterlingsart – immer nördlicher zu finden seien, sei es nicht unmöglich. Es gebe aber «herzlich wenig» Schlangenarten, die nah an Deutschland herangekommen seien und in Frage kämen. «Schlangen sind nicht die Könige der Ausbreitung.»
Fotocredits: Axel Heimken
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