Müncheberg/Greifswald – Wer gehofft hat, der wochenlange Frost werde dafür sorgen, dass es in diesem Jahr weniger Mücken gibt, wird enttäuscht sein. Doreen Walther erklärt: «Egal, wie viele oder wenige den Winter überleben – entscheidend sind die Witterungsverhältnisse im Frühling».
Die blutsaugenden Plagegeister bräuchten feuchte Brutplätze, um ihre Eier ablegen zu können, sagt die Mücken-Expertin vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin
Und davon gibt es derzeit jede Menge, wie ein Blick in die Natur zeigt: Auf Feldern sind Sölle und Wasserlöcher gut gefüllt, auf Wegen gibt es zahlreiche Pfützen, komplette Wiesen stehen unter Wasser. Ohnehin seien heimische Mückenarten äußerst frostresistent, sagt die Biologin. «Sie haben ein eingebautes Frostschutzmittel, mit dessen Hilfe sie in Kellern, auf Dachböden oder in Kaminholzstapeln gut über den Winter kommen.» Die meisten Exemplare, die jetzt bereits bei wärmerem Wetter umher schwirren, hätten bereits im Herbst Blut gesogen, seien befruchtet worden und warteten nur darauf, ihre bis zu 300 Eier ablegen zu können.
Auch die aus den Tropen eingewanderte Asiatische Buschmücke hat sich nach neuen Erkenntnissen bereits der Kälte angepasst. «Bis zu Minus 20 Grad machen ihr nichts mehr aus», sagt Walther und verweist auf den Mückenatlas. Dieses seit 2012 im Aufbau befindliche Portal soll wertvolle Hinweise auf die Verbreitung der heimischen Stechmücken und zugewanderter exotischer Arten liefern. Der Clou ist die breite Bürgerbeteiligung: Jeder kann in seiner Umgebung vorkommende Mücken einfangen und an das ZALF schicken. Dort wird die Art bestimmt und kartiert. Unschwer zu erkennen: Die besonders aggressive Asiatische Buschmücke hat sich von Baden-Württemberg aus bis Niedersachsen ausgebreitet. «Das geht so rasant, da kommen wir mit der Kartierung kaum noch hinterher», beschreibt Walther.
Die Buschmücke bilde Populationen und verdränge heimische Arten, sagt sie. Das ZALF arbeitet mit dem Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) in Greifswald zusammen, wo untersucht wird, welche Krankheitserreger Mücken auf Menschen übertragen können. Bereits nachgewiesen sind beispielsweise West-Nil-Fieber, Chikungunya-Fiebers oder Dengue-Fieber. «Neue Erkenntnisse zu weiteren Krankheiten haben wir bei unseren Infektionsversuchen im Labor noch nicht gemacht», sagt FLI-Laborleiter Helge Kampen.
Probleme mit dem strengen Winter könnte die wärmeliebende Asiatische Tigermücke bekommen haben, ebenfalls vor Jahren aus den Tropen nach Süddeutschland eingewandert und Überträger gefährlicher Erreger. Forscher des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) hatten laut Kampen nachgewiesen, dass die Asiatische Tigermücke unter bestimmten Bedingungen das gefährliche Zika-Virus übertragen kann. «Diese Mückenart sucht sich zum Überwintern Bereiche aus, wo sie keinem Frost ausgesetzt ist. Da bin ich gespannt, wie sie die vergangenen Wochen überstanden hat», meint die Mückenexpertin. Laut Mückenatlas haben die vergangenen Winter die weitere Ausbreitung dieser Mückenart von Süd- in Richtung Norddeutschland nicht aufhalten können.
«Im vergangenen Jahr bekamen wir bereits Einsendungen aus Nordrhein-Westfalen und sogar Berlin. Larven haben wir an diesen Standorten bei einer Überprüfung bisher allerdings nicht gefunden», stellt Walther klar. Der Mückenatlas sei inzwischen ein sehr effizientes Überwachungssystem. Fast alle Nachweise invasiver Stechmücken gingen auf die Einsendung von Bürgern zurück, ergänzt FLI-Forscherin Kampen. Am 9. April wird es laut Walther in Stuttgart eine Tagung zu Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke geben: «Dort sollen Behördenvertreter aus ganz Deutschland Handlungsempfehlungen zum Schutz vor dieser gefährlichen Insektenart erhalten.»
Sechs bis sieben Grad Tagestemperaturen reichen laut Walther derzeit aus, die Mücken aus ihren Startlöchern zu locken. Sollte es allerdings länger trocken bleiben, fehlten Brutplätze. «Die Bauern freuen sich über Regen im Frühjahr, die Mücken auch.» Werde es dazu noch angenehm warm, schlüpften die Mücken im Handumdrehen. «Spätestens Anfang, Mitte Mai ist das für uns auch wieder schmerzhaft spürbar», schätzt die Mückenexpertin.
Fotocredits: Felix Kästle
(dpa) (dpa)