Frankfurt/Main (dpa/tmn) – Der 15-jährige Rüde Toni blickt beim Spaziergang verwirrt um sich. Dann dreht er sich um und rennt ohne Grund davon. Als sein Frauchen ruft, kommt er zurück und schmiegt sich an sie. Sie hat ungewohnt viel Mühe mit ihrem Mischling. Der Grund: Demenz.
Der Hund ist nachts unruhig und läuft herum, schimpfen nützt nichts. Außerdem macht er manchmal in die Wohnung. Vielleicht sind dies alles Alterserscheinungen, vielleicht leidet das Tier jedoch an Demenz. «Diese tritt auch bei Tieren im zunehmenden Alter auf», erklärt der Tierarzt Thilo von Klopmann von der Tierklinik in Hofheim.
Je nach Rasse und Größe können sich beim Hund schon im Alter von acht Jahren die ersten Symptome zeigen. Auch Katzen bleiben nicht verschont. Die Hälfte der über 15-jährigen Tiere zeigt entsprechende Anzeichen.
Es gibt viele Parallelen zu der Demenz bei Menschen. «Demenz wird in der Tiermedizin auch als kognitive Dysfunktion bezeichnet», erklärt Anette Fach. Sie ist Tierärztin bei der Tierschutzorganisation Tasso in Sulzbach. Dabei spielten Plaque-Ablagerungen im Gehirn ähnlich wie bei Alzheimerpatienten eine Rolle. Auch erkrankte Tiere werden desorientiert. Zum Beispiel erkennen sie gewohnte Wege oder vertraute Menschen nicht mehr wieder.
Außerdem verändert sich ihr Lebensrhythmus. Oft wandern die Tiere abends und nachts ruhelos umher. Das Interesse an ihren Bezugspersonen, ihrem Spielzeug und ihrer Umwelt nimmt ab. Hunde bellen und Katzen maunzen vermehrt. Der Appetit lässt nach, und sie sind nicht mehr so stubenrein.
Das Problem: All dies können auch Symptome anderer Krankheiten oder schlicht normale Alterserscheinungen sein. «Es ist letztlich eine Ausschlussdiagnostik», sagt von Klopmann. Nach der Erfahrung der Tierärzte berichten die Halter meist erst auf Nachfrage von diesen Veränderungen – sie denken, dass ihr Tier eben einfach alt ist.
Der Tierarzt beginnt mit einer allgemeinen Untersuchung und befragt den Halter ausführlich über das Verhalten von Hund oder Katze. Er lässt ein Blutbild anfertigen. Möglich ist auch eine Untersuchung des Gehirns mittels einer Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT). Darauf kann der Tierarzt erkennen, ob es entsprechende Hinweise auf eine Demenz gibt.
«Generell ist die Diagnosestellung schwierig», erklärt der Tierarzt Klaus Kutschmann aus Magdeburg. Außerdem ist diese Krankheit bei Tieren noch nicht gut erforscht. Hunde und Katzen werden immer älter. Damit spielen nun auch Krankheiten eine Rolle, die früher kaum jemanden beschäftigt haben. Zwar gab es schon vor 60 Jahren die erste Veröffentlichung über Demenz bei Hunden, im Fokus steht diese Erkrankung jedoch erst seit etwa 10 Jahren.
Es gibt derzeit viele aktuelle Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen – für allem bei Hunden. Außerdem wird an einem Impfstoff gegen die Krankheit gearbeitet. «Das ist aber noch Zukunftsmusik», sagt von Klopmann.
Wie beim Mensch beginnt eine Demenz beim Tier schleichend. Es gibt immer mal wieder bessere Tage, aber insgesamt geht die Tendenz abwärts. Einige Medikamente können den Krankheitsverlauf verlangsamen, zum Beispiel Propentofyllin aus der Humanmedizin. Es soll die Durchblutung im Gehirn steigern. Außerdem gibt es spezielle Futtermittel für Hunde mit Demenz, die Wirkung zeigen können.
Der Tierhalter selbst kann vor allem eines tun: viel Verständnis für seinen Hund oder seine Katze haben. «Geben Sie Ihrem Liebling das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit», rät die Tierärztin Fach. Andererseits kann es gerade Hunden helfen, wenn sie vor neue Aufgaben gestellt werden. Besitzer können die Gassirunde variieren, auch neue Spielzeuge können gut für die Gehirnaktivität sein.
Ob eine Katze weiterhin ihren Auslauf genießen darf, muss jeder Halter für sich selbst entscheiden. Natürlich steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Tier nicht mehr nach Hause findet. Andererseits leidet eine Katze sehr, wenn ihr plötzlich der von klein auf gewährte Freigang genommen wird.
Fotocredits: Monique Wüstenhagen (dpa)